Wolf oder nicht Wolf?

Ein „wolfsähnliches“ Tier soll am 06. Juni 2018 in Stedesdorf in der Samtgemeinde Esens gesehen worden sein. „Es könnte durchaus ein Wolf sein, aber für eine konkrete Bestätigung ist das Bildmaterial nicht scharf genug“, verlautete es aus der Pressestelle des Landkreises Wittmund. So jedenfalls berichtete die Lokalzeitung „Anzeiger für Harlingerland“ am 08. Juni. Anlass der Berichterstattung war ein Smartphone-Video (s.o.), dass von einem bisher Unbekannten über den Messenger WhatsApp verbreitet wurde. Aus dem Auto heraus wurde das Tier an der Auricher Straße in Stedesdorf in einem Maisfeld gefilmt. Der Wolfsberater für den Landkreis Wittmund stufte die Beobachtung in die Kategorie „C3“ des landes- und bundesweiten Wolfsmonitoring ein, also „ein unbestätigter Hinweis“. C1 bedeutet „eindeutiger Nachweis“, C2 „bestätigter Hinweis“. Ein ausgewiesener Wolfsfachmann aus Bayern sah sich dieses Video ebenfalls an und bestätigte dies als C3-Sichtung, räumte aber ein, dass vieles für einen Wolf spräche. Dazu gehöre z.B. der helle Sattelfleck hinter dem Hals und der Gesamteindruck. Diese Merkmale waren auf dem Video durchaus zu erkennen. Auch das markante Fluchtverhalten des Tieres ließ auf einen Wolf schließen.

Noch ein C3-Wolf, oder derselbe?

Einige Tage später wurde ich von einem Landwirt und Jäger angesprochen, der am 08. Juni 2018 – also zwei Tage nach dem veröffentlichten Video des „wolfsähnlichen Tieres“ – nach seinen Angaben einen Wolf deutlich auf einer Grünlandfläche bei Groß-Holum, Gemeinde Neuharlingersiel in der Samtgemeinde Esens für 2 Minuten beobachten konnte. Er versicherte mir, dass er Wölfe von seiner Tätigkeit in Brandenburg her kenne. Der Beobachtungsort liegt nur 6 Kilometer Luftlinie von Stedesdorf entfernt. Diese Meldung gab ich an zwei Lokalzeitungen und den Wolfsberater für den Landkreis Wittmund schriftlich weiter. Eine Veröffentlichung dieser Sichtung erfolgte nicht, auch der Wolfsberater reagierte nicht. Warum?

Bisher nie Wolfsrudel in Ostfriesland, nur Einzeltiere

Es ist also nicht ausgeschlossen, dass sich Anfang Juni ein Wolf im Landkreis Wittmund aufgehalten hat. In den vergangenen Jahrhunderten haben sich nie Wolfsrudel im damals moorreichen Ostfriesland angesiedelt. Dazu gibt es umfangreiche Archivauswertungen eines Heimatforschers aus Friedeburg (Nordwest Zeitung, Oldenburg, 07. Sept. 2017: Heimatforscher räumt mit Märchen auf).

Es waren stets Einzeltiere, die hier gesehen und die dann gnadenlos verfolgt wurden. 1776 schließlich soll in Ostfriesland bei Arle im heutigen Landkreis Aurich der letzte Wolf geschossen worden sein, ebenfalls ein Einzeltier. Ostfriesland war zu dieser Zeit waldarm, das ändertet sich erst im 19. Jahrhundert nach der französischen Besetzung durch die Truppen Napoleons. Danach wurden Flächen gezielt aufgeforstet. Es gibt inzwischen größere Forsten im Bereich Hesel, Friedeburg, Wittmund und Esens. Ob sich hier tatsächlich einmal Wolfsrudel etablieren können bleibt abzuwarten.

Wolfssichere Zäune!

Es ist jedoch hohe Zeit, dass sich Landwirte und Hobbytierhalter jetzt damit befassen, wie sie ihre Weideflächen wirksam wolfssicher einzäunen. Es wäre fahrlässig, dies nicht zu tun.Für eine Beratung sind die jeweiligen Wolfsberater der Landkreise zuständig. Für die Einzäunungen gibt es Zuschüsse vom Land Niedersachsen. Zudem ist es eine wesentliche Aufgabe der ehrenamtlichen Wolfsberater, die Bewertung „Wolfsriss oder nicht Wolfsriss“ bei Nutztiertötungen vorzunehmen. Dazu nehmen sie DNA-Proben vom getöteten Beutetier, die dann im Labor untersucht werden. Vom Ergebnis hängt es ab, ob es für den Schaden ggf. Erstattungen gibt. Die Liste der Risse wird vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küste- und Naturschutz (NLWKN) geführt.

Sichtungen: „Erfahrene und geschulte“ Beobachter

Die Bewertung bei Sichtungen „Wolf oder Nichtwolf“ sollte nach den Kriterien des Bundesamtes für Naturschutz (s.u.) zunächst von „erfahrenen Personen“ vorgenommen werden. Die ehrenamtlichen Wolfsberater, die für die Landkreise tätig sind, werden mehrheitlich „geschulte Personen“ sein (und mehrheitlich noch nie einen Wolf in „freier Wildbahn“ gesehen haben), nicht aber den Kriterien der „erfahrenen Personen“ entsprechen. Unter den „geschulten Personen“ werden aber auch erfahrene Naturbeobachter – Jäger oder Nichtjäger – sein, die es in jahrelanger Beobachtungstätigkeit gelernt haben, auf kleinste Details bei Wildtieren zu achten und damit in der Lage sind, auch Wölfe leichter bestimmen zu können als naturkundliche Laien.

MK

(Quelle:Monitoring von Großraubtieren in Deutschland Bundesamt für Naturschutz – Skripten 251- 2009) Kriterien für Deutschland:

 

C1: eindeutiger Nachweis = harte Fakten, die die Anwesenheit eines Großraubtiers eindeutig
bestätigen (Lebendfang, Totfund, genetischer Nachweis, Foto).

C2: Bestätigter Hinweis = von erfahrener Person überprüfter Hinweis, wie Spur, Kot, Riss oder Haare, bei dem ein Großraubtier als Verursacher bestätigt werden konnte. Die erfahrene Person kann den Hinweis selber im Feld oder anhand einer Dokumentation von einer dritten Person bestätigen.

C3: Unbestätigter Hinweis = Alle Hinweise, bei denen ein Großraubtier als Verursacher
auf  Grund der mangelnden „Beweislage“ von einer erfahrenen Person weder bestätigt noch ausgeschlossen werden konnte. Dazu zählen alle Sichtbeobachtungen, auch von erfahrenen Personen, ferner alle Hinweise, die zu alt sind, unklar, unvollständig dokumentiert sind, zu wenige um ein klares Bild zu ergeben (z. B. bei Spuren) oder aus anderen Gründen für eine Bestätigung nicht ausreichen; ebenso alle Hinweise, die nicht überprüft werden konnten. Die Kategorie C3 kann in Unterkategorien „wahrscheinlich“ und „unwahrscheinlich“ unterteilt werden, oder auch nach dem subjektiven Befund der erfahrenen Person.

Erfahrene Personen = Eine Person gilt als erfahren, wenn sie bereits ausgiebig mit dem
Monitoring der jeweiligen Großraubtierart beschäftigt war, so dass sie Routine im Erkennen und Interpretieren von Hinweisen dieser Art hat. Sie muss also über längere Zeit an Feldarbeit im Rahmen national oder international anerkannter Großraubtier-Projekte teilgenommen haben. Sie muss mit der Biologie der jeweiligen Großraubtierart und ihrer Beutetiere (Wild- und Nutztiere) vertraut sein. Um die Routine im Erkennen und Einordnen von Großraubtierhinweisen aufrecht zu erhalten, muss diese Person Gelegenheit haben, Hinweise regelmäßig zu sehen.

Geschulte Personen = Personen, die eine Schulung im Erkennen und Dokumentieren von Großraubtierhinweisen absolviert haben (z. B. einen mehrtägigen Kurs). Sie beherrschen das Handwerkszeug, haben idealer Weise bereits eigene Kenntnisse im Großraubtier-Monitoring sammeln können, jedoch noch nicht die langjährige Routine der erfahrenen Personen.

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2 Antworten zu Wolf oder nicht Wolf?

  1. Christian Berge sagt:

    Das ist eindeutig ein Hund. Die Rute ist viel zu lang, er hat zu langes Fell, Wölfe haben jetzt ihr Sommerfell und dass ist kurz. Weiterhin ist das Fell viel zu dunkel. Es dürfte sich um einen Wolfhund handeln, was man aus seinem leichtfüßigen Trab schließen kann.

    • MK sagt:

      Wenn das man so eindeutig wäre. Da sind sich selbst ausgewiesene Fachleute nicht sicher. In Frage käme ein Saarlooswolfhund, aber wer hält den hier? Der Saarlooswolfhund wäre zudem deutlich heller! Diesen teuren Hund müsste ja jemand vermissen. Bemerkenswert ist doch, dass ein paar Tage später, am 08. Juni, ein Wolf nur sechs Kilometer weiter entfernt Richtung Neuharlingersiel gesichtet wurde, von einem erfahrenen Jäger, der Wölfe aus freier Wildbahn kennt. Am 17., 18., 19. und 30. Juni wurde ein Wolf von einer Fotofalle im Knyphauser Wald bei Reepsholt erfasst, ebenfalls im LK Wittmund und wurde als C1-Sichtung eingestuft. Der Wolfsberater überließ die fotografische Bewertung dem Wolfsmonitoring der Landesjägerschaft.

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