Samtgemeinde Esens: digitale Bürgerbefragung zur Windenergie Programmierfehler erlaubt Mehrfachabstimmung

Screenshot, abgerufen am 31. Januar 2024

Dieser Beitrag erschien zuerst bei www.wattenrat.de

Nachtrag mit der Berichterstattung in der Lokalzeitung ganz unten

Ab dem 15. Januar bis zum 05. Februar 2024 können die wahlberechtigten Bürger der Samtgemeinde Esens im Landkreis Wittmund erneut abstimmen, ob sie für oder gegen weitere Windkraftstandorte in der Samtgemeinde sind, die rot-gelb-grüne Ampelregierung mit ihren Vorgaben zum beschleunigten Ausbau der Windenergie machte den Weg frei; die Investoren scharren bereits mit den Hufen für weitere profitable Anlagen, auch in der Samtgemeinde Esens.


Im Landkreis Wittmund und der Samtgemeinde Esens sind die gesetzlichen Vorgaben der prozentualen Flächenausweisung jedoch bereits weit übererfüllt. Allein in der Samtgemeinde Esens stehen ca. 60 Windkraftanlagen. Nun ruft die Samtgemeinde Esens mit einer ganz anderen „Befragung“ zur Abstimmung auf, überhaupt nicht vergleichbar mit der Abstimmung von 2016. Damals konnte man nur mit „Ja“ oder „Nein“ abstimmen, eine einfache klare Ansage; es wurde auf einem Abstimmungsbogen, der ins Haus geschickt wurde, mit einem Stift ein Kreuz gemacht. So einfach geht das, wenn man will. Fast 80 Prozent der Wähler stimmten mit einem eindeutigen „Nein“ gegen weitere Windkraftanlagen.

Auszug aus dem Anschreiben der Samtgemeindeverwaltung vom 05. JAn. 2024

Diesmal wird nur digital abgestimmt, nicht mehr nur mit „Ja“ oder „Nein“, sondern zunächst mit der Hürde des Eintippens einer langen Internetadresse oder der Fotografie eines QR-Codes mit einem Smartphone, der zu einem  Fragenkatalog führt, zudem ergänzt mit einem Fragebogen, der die Altersgruppe, den Wohnort abfragt und auch wissen will, ob man sich evtl. an einem Windpark finanziell beteiligen möchte. Diese Hürde können Internetungeübte nur mit fremder Hilfe nehmen. Das Anschreiben der Samtgemeinde enthielt bei Empfängern mit Umlauten im Namen hieroglyphenähnliche  nichtlesbare Sonderzeichen, der erste Programmierfehler.

Screenshot: Erfolgreiche Abstimmung zum Zweiten mit dem Freischaltcode ohne das letzte Sonderzeichen. Kann man eigentlich den Abstimmenden mit dem Freischaltcode in Verbindung der Empfängeradresse des Samtgemeindebriefes individuell identifizieren? Dann wäre es auch keine geheime Wahl mehr.

Nur zeigt diese digitale Abstimmung einen fatalen weiteren Programmierfehler (der hoffentlich keine Absicht für Insider ist) auf: Wer bereits mit einem korrekten Freischaltcode, der individuell an die wahlberechtigten Einwohner von der Samtgemeindeverwaltung per Brief verschickt wurde und abgestimmt hat, kann ein zweites Mal abstimmen, indem der siebenstellige Freischaltcode ohne das letzte Sonderzeichen nach dem erneuten Aufruf der Webseite https://quest.explorare.de/studio/admin/wind/ in das Eingabefeld eingegeben wird.

Ich habe das selbst nach einem Hinweis probiert, auch meine Familie hat versuchsweise mit dem oben geschilderten Verfahren zum zweiten Mal abgestimmt, ein Beweis-Video wurde angefertigt und liegt hier vor.

Damit ist diese Abstimmung wertlos und darf nicht verwendet werden, auch dann nicht, wenn der Programmierfehler nun während des Abstimmungszeitraumes korrigiert werden sollte. Papier und Stift wären einfacher und sicherer gewesen. Das wirft auch die Frage auf, wie sicher digitale Abstimmungen überhaupt und wie anfällig sie für Manipulationen sind.

Nachtrag

Und so berichtete der Anzeiger für Harlingerland (Wittmund), Lokalausgabe der Nordwest Zeitung (Oldenburg), am 02. Febr. 2024 nach dem Hinweis auf diesen Wattenrat-Beitrag:
„Ist eine Mehrfachabstimmung möglich?
BETRUG – Bürgerbefragung zu Windkraft läuft derzeit – Harald Hinrichs erklärt die Situation […] Nachdem der Samtgemeindebürgermeister auf diese Situation angesprochen seinen ersten Schreck verdaut hatte, fragte er beim Dienstleiter nach. Das Ergebnis: Es stimmt, eine Mehrfachabstimmung ist möglich. […] ´Das Problem ist, dass bei dem siebenstelligen Code das letzte Zeichen ein Sonderzeichen ist. Und bei bestimmten Satzzeichen gibt es Probleme, sodass auch der sechsstellige Code eine Abstimmung ermöglicht.´ Nachdem der Dienstleiter darauf hingewiesen sei, sei es nun kein Problem, die Mehrfachstimmen durch den sechsstelligen Code herauszufiltern und zu löschen.´ Dies seien derzeit zwölf Stimmabgaben gewesen. Harald Hinrichs betont: ´Eine doppelte Wertung wird es nicht geben und wird keinen Einfluss auf das Ergebnis haben.´“

Und dann folgt noch die Werbung für die Wahlbeteiligung:

„Zeit bis zum 5. Februar Mittlerweile sind laut Hinrichs etwa 3000 Stimmen abgegeben worden. Er hofft, das die Bürgerinnen und Bürger der Samtgemeinde die letzten Tage bis zum 5. Februar nutzen werden, um ihre Stimme abzugeben.“

Zunächst: Das Wort „Betrug“ in der Überschrift ist im Wattenrat-Beitrag nicht gefallen, das hat die Anzeiger-Redaktion dazugedichtet und nicht mit einem Fragezeichen versehen – oder hat die Redaktion das gar als „Betrug“ eingestuft? Eine entsprechende Richtigstellung von mir lehnte die Redakteurin per Mail ab: „Ich habe das mit meinen Chefs besprochen. Da das Wort Betrug ihnen nicht in den Mund gelegt worden ist, gibt es keinen Anlass für eine Richtigstellung.“

Die Frage bleibt, ob die digitale Befragung überhaupt anonym war. Auf dem persönlich adressierten Abstimmungsbrief der Samtgemeindeverwaltung war auch der zur Abstimmung notwendige Code enthalten. Dann müsste über den Code über und die jeweilige Empfängeradresse auch zurückzufolgen sein, wer wie abgestimmt hat. Das wäre dann eine Wahlmanipulation und ein grober Verstoß gegen das Datenschutzgesetz. Der Wattenrat wird sich deshalb an den Landesdatenschutzbeauftragten in Hannover wenden.

MK

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